Für den Inhalt dieser Seite ist eine neuere Version von Adobe Flash Player erforderlich.

Adobe Flash Player herunterladen

Steuerberater Gißewski
Home
Unsere Mitarbeiter
Leistungsspektrum
Besondere Leistungen
News
Impressum
Datenschutzerklärung
Galerie
Anfahrt
Links

Brief für Steuerpflichtige im Privatbereich des Monats Januar 2010

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche, vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:

 

Inhalt

1.

Bedürftigentestament könnte sittenwidrig sein

2.

Frühere Pauschalbesteuerung "schwarzer Fonds" verstößt gegen EU-Recht

3.

Betriebsstilllegung: Kein Kündigungsschutz für AN in Elternzeit

4.

Berichtigung von vom Finanzamt übernommenen Fehlern von Stpfl.

5.

Vorlage des BFH zur Frage der Besteuerung von Leibrenten unzulässig

6.

LSG Bayern: Erziehungsrente ist verfassungswidrig

7.

Leistungserschleichung mit umfangreichen Konsequenzen

8.

Unentgeltliche oder verbilligte Flüge als Arbeitslohn

9.

Abfindung für Arbeitszeitreduzierung: Steuerbegünstigte Entschädigung

10.

Abfindung für Arbeitszeitreduzierung: Steuerbegünstigte Entschädigung

11.

Leerstand: Vermietungsabsicht setzt zielgerichtete Maßnahmen voraus

12.

OLG Rostock: Qualifizierte Schriftformklausel verstößt gegen § 307 BGB

13.

Ehegatte kann Aufteilung der Steuerschuld beantragen



1. Bedürftigentestament könnte sittenwidrig sein

Kernfrage/Rechtslage
Um zu verhindern, dass Sozialleistungsträger über ihre gesetzlich verankerten Überleitungsansprüche auf einen Nachlass zugreifen können, wird aus erbrechtlicher Sicht häufig eine Gestaltung gewählt, in denen die Person (in der Regel ein Kind oder der Ehegatte), die Sozialleistungen erhält, zum beschränkten Vorerben eingesetzt und zum Nacherben eine dritte Person wird. Verbunden ist diese Gestaltung mit der Einsetzung eines Testamentsvollstreckers zu Lasten des Vorerben, der diesem aus dem Nachlass lediglich unterstützende Leistungen gewähren darf. Dabei ist die Erbeinsetzung des Leistungsempfängers erforderlich, um zu verhindern, dass der Sozialleistungsträger auf einen Pflichtteilsanspruch zugreifen kann. Bei Behinderten ist diese Gestaltung gesichert. Das Sozialgericht Dortmund hat nunmehr im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, also noch nicht endgültig rechtskräftig, dazu Stellung genommen, ob die entsprechende Gestaltung auch dann wirksam werden kann, wenn die Gestaltung bei einem Sozialhilfeberechtigten gewählt wird, oder ob in diesem Fall, Sittenwidrigkeit anzunehmen ist.

Entscheidung
Ein pflichtteilsberechtigter Erbe bezog Sozialhilfe. Testamentarisch war die eingangs beschriebene Gestaltung gewählt worden. Danach durfte der Testamentsvollstrecker nur solche unterstützenden Leistungen an den Erben auskehren (u. a. Wohnrecht im Haus des Erblassers), die seinen Sozialleistungsanspruch nicht gefährdeten. Im Übrigen war ein Zugriff des Erben auf den Nachlass ausgeschlossen. Der Sozialleistungsträger stellte die Leistungen ein und verwies darauf, dass der Erbe verpflichtet sei, zunächst das geerbte Vermögen einzusetzen. Hiergegen legte der Erbe Klage ein und beantragte im einstweiligen Rechtsschutz die Weitergewährung der Sozialleistungen. Im Rahmen der Entscheidung über den einstweiligen Rechtsschutz führte das Sozialgericht Dortmund aus, der Erbe könne ggfls. verpflichtet sein, das Testament anzufechten, weil einiges dafür spreche, dass Sittenwidrigkeit vorliege. Jedenfalls könne die Rechtsprechung zu Behindertentestamenten nicht unmittelbar übertragen werden.

Konsequenz
Die Entscheidung bleibt zunächst eine Einzelfallentscheidung, die wegen ihres einstweiligen Charakters nicht rechtsverbindlich wird. Sollte das Urteil aber entsprechend ausfallen und im sozialgerichtlichen Instanzenzug bestehen bleiben, dann wäre die vorskizzierte Gestaltung bei reinen Sozialhilfeempfängern nicht mehr aufrecht zu erhalten. Allerdings gibt es ernstliche Zweifel an der Rechtsauffassung des Sozialgerichts. Sicherheitshalber sollte bei erbrechtlichen Beratungen über Auffangregelungen nachgedacht werden.



2. Frühere Pauschalbesteuerung "schwarzer Fonds" verstößt gegen EU-Recht

Kernproblem
Das inzwischen außer Kraft gesetzte AuslInvG sah für die Besteuerung bestimmter ausländischer Investmentfonds eine pauschale Besteuerung vor. Durch Entscheidung vom 18.11.2008 (VIII R 24/07) hatte der BFH bereits entschieden, dass diese Behandlung EU-rechtswidrig ist, sofern der ausl. Fonds seinen Sitz innerhalb der EU hat. Ungeklärt war bislang, wie in Drittstaatenfällen zu entscheiden ist.

Sachverhalt
Die Kläger waren an Investmentfonds in Südkorea und China beteiligt und erzielten hieraus im strittigen Zeitraum Einkünfte in Höhe von rd. 183.000 EUR, die vom Finanzamt der Pauschalbesteuerung unterworfen wurden. Einspruch und Klage vor dem FG Düsseldorf verliefen erfolglos. Der BFH hob die Entscheidung des FG auf.

Rechtsfrage
Zu klären war, ob die diskriminierende Besteuerung mit Berufung auf den EU-Vertrag angegriffen werden kann. Der BFH prüft in diesem Zusammenhang zunächst, gegen welche Grundfreiheit durch die Regelungen in § 18 Abs. 3 AuslInvG verstoßen wird. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass gegen das Grundrecht der Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen wird. Dieses Grundrecht gilt auch im Verhältnis zu Drittstaaten. Rechtfertigungsgründe für eine Einschränkung des Grundrechts vermag der BFH nicht zu erkennen. Insbesondere gebiete der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit es nicht, eine pauschalierte Besteuerung so auszugestalten, wie § 18 Abs. 3 AuslInvG dies vorsehe.

Konsequenz
Im Streitfall muss die Besteuerung so erfolgen, wie dies bei einem inländischen Fonds der Fall wäre.



3. Betriebsstilllegung: Kein Kündigungsschutz für AN in Elternzeit

Kernfrage/Rechtslage
Grundsätzlich sind Arbeitnehmer, die sich in Elternzeit befinden, unkündbar. In besonderen Fällen kann aber die für den Arbeitsschutz jeweils zuständige oberste Landesbehörde auf entsprechenden Antrag hin die Zustimmung zur Kündigung erteilen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Landesbehörde ihre Zustimmung zur Kündigung von in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmern erteilen muss.

Entscheidung
Auf uneingeschränkte Zustimmung zur ordentlichen Kündigung von in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmern hatte ein Insolvenzverwalter geklagt, der den Betrieb insgesamt stilllegen wollte. Das beklagte Land hatte die Kündigung zuerst lediglich mit der Einschränkung genehmigt, dass sie erst zum Ende der Elternzeit oder frühestens zum Zeitpunkt der Löschung der Aktiengesellschaft im Handelsregister wirksam werden dürfe, weil den Arbeitnehmern während der Elternzeit eine beitragsfreie Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ermöglicht werden solle. Das Bundesverwaltungsgericht gab dem Insolvenzverwalter Recht. Es liege ein besonderer Grund vor, der eine uneingeschränkte Zustimmung rechtfertige. Ein besonderer Fall, in dem die Zustimmung zu erteilen sei, liege vor, wenn der Betrieb dauerhaft stillgelegt werde. Das Verbot von Kündigungen während der Elternzeit solle nicht etwa eine beitragsfreie Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung gewährleisten, sondern die Arbeitnehmer vor einem Verlust ihres Arbeitsplatzes schützen. Dieses Ziel könne bei einer Betriebsstilllegung aber nicht mehr erreicht werden.

Konsequenz
Das Kündigungsverbot in der Elternzeit dient dem Schutz vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Fällt der Arbeitsplatz aber weg oder ist eine Weiterbeschäftigung ausgeschlossen, kann die Zustimmung zur Kündigung beantragt werden. Dem stehen auch sozialversicherungsrechtliche Erwägungen nicht entgegen.



4. Berichtigung von vom Finanzamt übernommenen Fehlern von Stpfl.

Kernaussage
Eine die Berichtigung nach den Vorschriften der Abgabenordnung (§ 129 AO) ermöglichende offenbare Unrichtigkeit kann auch vorliegen, wenn das Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare Unrichtigkeit des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Die Unrichtigkeit ist offenbar, wenn sie sich ohne weiteres aus der Steuererklärung, den Anlagen sowie den Akten für das betreffende Veranlagungsjahr ergibt.

Sachverhalt
Die Klägerin erzielt mit ihrem Handelsbetrieb Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Das beklagte Finanzamt forderte sie auf, ab Januar 1999 von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG überzugehen und eine Eröffnungsbilanz einzureichen. Die Bilanz zum 1.1.1999 wies einen Gewinn von rd. 168.115 DM aus, der aus Hinzurechnungen des Warenbestands resultierte. Die Einkommensteuererklärung der Klägerin für 1999 wurde in 2001 mit der Anlage GSE eingereicht, die nur einen Gewinn von 93.220 DM auswies. Dieser entsprach in etwa dem aus dem Jahresabschluss zum 31.12.1999. Der Beklagte veranlagte die Klägerin erklärungsgemäß mit bestandskräftigem Bescheid. Die spätere Betriebsprüfung stellte fest, dass der Übergangsgewinn nicht in diesem Bescheid erfasst worden war. Der Beklagte erließ einen Änderungsbescheid und unterwarf den Übergangsgewinn der Besteuerung. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allem Instanzen erfolglos.

Entscheidung
Die Berichtigung des Einkommensteuerbescheides für 1999 war rechtmäßig. Der Übergangsgewinn durfte der Besteuerung unterworfen werden. Nach § 129 AO darf die Finanzbehörde Schreib- und Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten jederzeit innerhalb der Verjährungsfrist berichtigen. Letztere lag auch hier vor, weil das beklagte Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare Unrichtigkeit der Klägerin als eigene übernahm. Diese lag in der nicht berücksichtigten Tatsache, dass ein Übergangsgewinn durch den Wechsel der Gewinnermittlungsart bei der Klägerin entstanden war und diese ihn zwar in der Eröffnungsbilanz, nicht aber in ihrer Einkommensteuererklärung 1999 erklärt hatte. Diese offenbare Unrichtigkeit hätte der Sachbearbeiter des Beklagten auch unschwer erkennen können, sie beruhte also nicht auf einer unzureichenden Sachaufklärung.



5. Vorlage des BFH zur Frage der Besteuerung von Leibrenten unzulässig

Kernproblem
Erhält jemand als Gegenleistung für die Übertragung von Vermögen eine Leibrente, so hat er den Ertragsanteil der Rente als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer zu unterwerfen (soweit keine Subsidiarität wegen Berücksichtigung bei einer anderen Einkunftsart vorliegt). Den parallel hierzu vorliegenden Aufwand des Leistenden sieht der BFH dagegen als pauschalierten Zinsanteil an. Wegen des Abzugsverbots privater Schuldzinsen konnte in der Folge der Ertragsanteil des Verpflichteten nicht als Sonderausgabe abgezogen werden. Unabhängig von der Rechtsprechung des BFH ist mittlerweile mit Wirkung ab dem Jahr 2008 der Sonderausgabenabzug gesetzlich weiter eingeschränkt worden, so dass im Wesentlichen Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übergabe von Geldvermögen, von Wertpapieren sowie ertraglosem Vermögen vom Abzug ausgeschlossen werden. Der BFH hatte jedoch folgende Betrachtung, die den Rentenempfänger betrifft, in den Raum geworfen und deswegen das BVerfG angerufen: Bei der Besteuerung von Zinseinnahmen kommt im Gegensatz zur Rentenbesteuerung ein Sparer-Freibetrag (heute Sparer-Pauschbetrag) zum Abzug. Lehnt man beim Verpflichteten gerade mit Hinweis auf das private Schuldzinsabzugsverbot den steuerlichen Abzug ab, muss dann nicht zumindest der Empfänger in den Genuss des Sparer-Freibetrags kommen?

Entscheidung des BVerfG
Das BVerfG hat den Vorstoß abgewiesen und deutliche Zweifel an der Linie des BFH geäußert. So widerspreche die Auffassung, Leibrenten wie Zinseinkünfte zu behandeln und deshalb den Sparerfreibetrag zu gewähren, dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. Zugleich verwiesen die Karlsruher Richter auf den eindeutigen Wortlaut des EStG, wonach die Zahlung einer Leibrente teilweise von der Steuer absetzbar sei - was aber der BFH ablehne. Im Ergebnis lassen die Verfassungsrichter die Fragen unbeantwortet und üben sogar Kritik an der Vorlage. So reiche es nicht aus, dass sich der BFH lediglich auf die eigene Rechtsprechung berufe. Vielmehr hätte er sich auch mit Literatur und anderer Rechtsprechung auseinandersetzen müssen.



6. LSG Bayern: Erziehungsrente ist verfassungswidrig

Kernaussage
Die Versagung der Erziehungsrente bei nicht verheirateten Partnern ist verfassungswidrig, da nichteheliche Kinder gegenüber ehelichen Kindern dadurch benachteiligt werden.

Sachverhalt
Die Mutter eines einjährigen Kindes hatte nach dem Tod des Vaters die Zahlung einer Erziehungsrente beantragt. Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) lehnte dies ab, weil die Eltern nicht verheiratet waren. Die dagegen gerichtete Klage blieb vor dem Sozialgericht erfolglos.

Rechtlicher Hintergrund
Kann ein Elternteil wegen Kindererziehung nicht erwerbstätig sein, sichert der andere Ehepartner regelmäßig Familieneinkommen und -unterhalt. Verstirbt der arbeitende rentenversicherte Partner, erhält der überlebende Elternteil eine Witwen- bzw. Witwerrente. In einer vergleichbaren Situation befinden sich Geschiedene, die nicht wieder geheiratet haben und die wegen Erziehung eines gemeinsamen Kindes nicht arbeiten können, wenn der den Unterhalt sichernde ehemalige Ehepartner verstirbt. In diesen Fällen zahlt die gesetzliche Rentenversicherung eine Erziehungsrente und trägt so zur Absicherung der Hinterbliebenen bei.

Entscheidung
Das bayerische LSG hat das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Nach der Überzeugung des Gerichtes ist die Versagung der Erziehungsrente bei nicht verheirateten Paaren verfassungswidrig. Artikel 6 Abs. 5 GG verbiete es, nichteheliche Kinder schlechter zu stellen als eheliche. Durch die Versagung der Erziehungsrente sei die "ledige Mutter" gezwungen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und könne sich typischerweise weniger um das Kind kümmern. Diese geringere Betreuungsmöglichkeit stelle daher Kinder unverheirateter Mütter schlechter als Kinder von Müttern, die verheiratet waren. Dies sei mit der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder unvereinbar.

Konsequenz
Das Bundesverfassungsgericht wird nun darüber entscheiden, ob die Bestimmung zur Erziehungsrente in § 47 SGB VI verfassungswidrig ist.



7. Leistungserschleichung mit umfangreichen Konsequenzen

Kernaussagen
Bei einer Leistungserschleichung durch einen Versicherten darf die Versicherung sowohl den Krankenversicherungsvertrag kündigen als auch sämtliche weiteren Vertragsbeziehungen beenden. Sie ist nicht verpflichtet, den Versicherten in einem anderen Tarif zu versichern.

Sachverhalt
Der bereits über 30 Jahre bei der beklagten Versicherung versicherte Kläger hatte in 2005 Kostenvoranschläge in Höhe von rd. 1.100 EUR für eine neue Brille eingereicht. Als Grund gab er "Ersatz für Bruch und neue Glasstärke" an. Die Beklagte erbrachte die Leistungen. Ende 2006 legte der Kläger erneut eine Brillenrechnung vor und gab wiederum "Ersatz für Bruch" an. Nach Aufforderung durch die Beklagte legte der Kläger eine beschädigte Brille vor. Der beauftragte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass diese nicht mit den eingereichten Kostenvoranschlägen übereinstimmte. Tatsächlich hatte der Kläger die Brille woanders bezogen und Rechnungen gefälscht. Wegen Täuschung kündigte die Beklagte den Versicherungsvertrag und auch einen Pflegeversicherungsvertrag fristlos. Der Kläger klagte auf Feststellung, dass beide Verträge nicht beendet seien; ferner auf Verurteilung der Beklagten, ihn im Standardtarif für ehemals selbstständig Versicherte aufzunehmen. LG und OLG wiesen die Klage ab.

Entscheidung
Die Beklagte war berechtigt, den Versicherungsvertrag mit dem Kläger fristlos zu kündigen. Ein Festhalten am Vertrag war der Beklagten nicht zuzumuten, weil der Kläger in besonders schwerwiegender Weise Versicherungsleistungen erschlichen hat. Den als Kostenerstattung durch die Beklagte geleisteten Betrag hatte er im Rahmen seiner Lebensführung anderweitig verbraucht. Angesichts dieses groben Vertrauensbruchs war die Beklagte berechtigt, auch den Pflegeversicherungsvertrag zu kündigen. Ein Versicherer kann die fristlose Kündigung des Krankenversicherungsvertrages auch auf die Pflegeversicherung erstrecken, wenn er aufgrund des Verhaltens des Versicherten von einem irreparablen Vertrauensverlust ausgehen muss. Hier bestand die Gefahr einer Leistungserschleichung durch Täuschungsverhalten gleichermaßen. Ferner war die Beklagte berechtigt, einen erneuten Vertragsabschluss mit dem Kläger im gleichen Versicherungszweig abzulehnen.



8. Unentgeltliche oder verbilligte Flüge als Arbeitslohn

Einführung
Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, die nicht in Geld, sondern in einem sonstigen geldwerten Vorteil bestehen und im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft gewährt werden, stellen steuerpflichtigen Sachbezug dar. Mit gleich lautenden Erlassen haben die Finanzministerien der Länder zur Frage der Bewertung des Sachbezugs bei unentgeltlich oder verbilligt gewährten Flügen Stellung genommen.

Kernpunkte des Schreibens
Soweit die Luftfahrtunternehmen ihren eigenen Mitarbeitern unentgeltlich oder verbilligt Flüge überlassen und keine Pauschalierung der Lohnsteuer erfolgt, richtet sich die Bewertung des Sachbezugs nach § 8 Abs. 3 EStG. Ausgangspunkt für die Sachbezugsermittlung ist danach der Angebotspreis vor üblichen Preisnachlässen, der durch einen Bewertungsabschlag von pauschal 4 % sowie einen Rabattfreibetrag von derzeit 1.080 EUR gemindert wird. In allen anderen Fällen erfolgt die Bewertung des Sachbezugs gemäß § 8 Abs. 2 EStG mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten Endpreis am Abgabeort. Die Bewertung des Sachbezugs nach § 8 Abs. 2 EStG findet insbesondere auch dann Anwendung, wenn die Luftfahrtunternehmen Arbeitnehmern anderer Arbeitgeber (z. B. Mitarbeitern eines Reisebüros) Flüge unentgeltlich oder verbilligt überlassen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Sachbezug aber auch durch den Ansatz von festgelegten Durchschnittswerten je Flugkilometer ermittelt werden.

Konsequenz
Dieser Erlass ersetzt den bisherigen Erlass vom 1. Dezember 2006 und gilt für Veranlagungsjahre ab 2010. Die wesentliche Änderung betrifft die Neufestsetzung der Durchschnittswerte für Flugkilometer, die insgesamt zu einem höheren steuerpflichtigen Sachbezugswert ab dem Jahr 2010 führen.



9. Abfindung für Arbeitszeitreduzierung: Steuerbegünstigte Entschädigung

Kernproblem
Zu den einkommensteuerpflichtigen Einkünften zählen auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen oder für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit gewährt werden. Die Entschädigungen werden aber als außerordentliche Einkünfte tarifbegünstigt besteuert. Hintergrund der gewährten Tarifbegünstigung ist der Umstand, dass sich der Steuerpflichtige in einer Zwangssituation befindet und sich dem zusammengeballten Zufluss der Einnahmen mit den damit einhergehenden höheren steuerlichen Belastungen nicht entziehen kann.

Sachverhalt
Eine Arbeitnehmerin (Klägerin) schloss mit ihrem Arbeitgeber einen Vertrag über die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass die Arbeitnehmerin für die Reduzierung der Arbeitszeit eine einmalige Teilabfindung erhalten sollte. Entgegen der Ansicht der Klägerin vertraten Finanzamt und auch Finanzgericht die Auffassung, dass es sich bei der Abfindung nicht um eine tarifbegünstigte Entschädigung handele, da das Arbeitsverhältnis nicht beendet wurde. Des Weiteren sei die Abfindung auch keine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit, sondern für deren zukünftige Reduzierung.

Entscheidung des BFH
Der BFH folgte der Auffassung der Klägerin und wertete die Teilabfindung als grundsätzlich tarifbegünstigte Entschädigungszahlung. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH müssen Entschädigungszahlungen durch den unmittelbaren Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt sein. Dies sei vorliegend erfüllt, da die Abfindung als Ersatz für die durch die Verminderung der Arbeitszeit entgehenden Einnahmen der Klägerin geleistet wurde. Aus dem Gesetz lasse sich darüber hinaus nicht erkennen, dass eine tarifbegünstigte Entschädigung zwingend die Beendigung der Einkünfteerzielung verlangt, also die gänzliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Konsequenz
Das Urteil ist eine nochmalige Klarstellung der bisherigen Rechtsprechung. In vorliegendem Fall hat der BFH allerdings den Sachverhalt zur erneuten Prüfung an das Finanzgericht zurückverwiesen. Das Finanzgericht hat nun zu klären, ob die Klägerin bei Änderung ihres Arbeitsvertrages unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck gehandelt hat. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung eine weitere zwingende Voraussetzung für die Annahme einer tarifbegünstigten Entschädigung.



10. Kfz-Nutzung: Führt fehlendes Fahrtenbuch zwingend zur 1 %-Regel?

Einführung
Wer behauptet, sein betriebliches Kfz ausschließlich betrieblich zu nutzen, muss dies dem Finanzamt mittels Fahrtenbuch nachweisen. Andere plausible Nachweise akzeptiert die Finanzverwaltung hingegen bisher nicht. Fehlt daher ein Fahrtenbuch, wird die private Nutzung gemäß der 1 %-Methode versteuert.

Fall
Ein Rechtsanwalt nutzte einen Porsche 911 für betriebliche Zwecke. Gleichzeitig befand sich in seinem Privatvermögen ein Porsche 928 sowie zeitweise ein Volvo. Auf seine Ehefrau waren in dieser Zeit ein Mercedes-Geländewagen sowie anschließend ein Chrysler Wrangler zugelassen. Die 5 Kinder des Ehepaares waren minderjährig. Mangels Führung eines Fahrtenbuches beabsichtigte das Finanzamt, den Porsche 911 der 1 %-Regel zu unterwerfen. Hiergegen wehrte sich der Rechtsanwalt, mit dem Argument, dass für die Annahme einer privaten Nutzung kein Raum sei, da ihm und seiner Ehefrau adäquate Fahrzeuge im privaten Bereich zur Verfügung stünden.

Neues Urteil
Das FG des Landes Sachsen-Anhalt folgt der Argumentation des Klägers. Das Halten zweier gleichwertiger Fahrzeuge im Privatvermögen wäre nach Ansicht des FG vollkommen unsinnig, wenn der Porsche 911 für Privatzwecke genutzt würde. Eine private Nutzung ist daher nicht zu versteuern.

Konsequenz
Das Urteil ist erfreulich für die Praxis, aber leider noch nicht endgültig. Die Revision ist beim BFH anhängig. In vergleichbaren Fällen sollte daher Einspruch eingelegt und unter Verweis auf das anhängige Verfahren das Ruhen des Verfahrens beantragt werden, sofern eine private Nutzung tatsächlich unterblieben ist. Der Logik des FG folgend, müsste es bei einem ledigen Unternehmer hierzu ausreichen, wenn ihm ein weiteres gleichwertiges Fahrzeug im privaten Bereich zur Verfügung steht. Bis zum Urteil des BFH sollte, wenn möglich, jedoch in der Praxis nicht auf die Führung eines Fahrtenbuches verzichtet werden.



11. Leerstand: Vermietungsabsicht setzt zielgerichtete Maßnahmen voraus

Einleitung
Nach § 9 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, wenn sie durch sie veranlasst sind. Fallen solche Aufwendungen schon an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht. Aufwendungen für eine leer stehende Wohnung können als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, daraus durch Vermieten Einkünfte zu erzielen und diese Entscheidung später nicht wieder aufgegeben hat. Diese Einkünfteerzielungsabsicht muss sich anhand ernsthafter und nachhaltiger Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen belegen lassen.

Sachverhalt
Der Kläger errichtete in 1976 ein Wohn- und Geschäftsgebäude. EG und 1. OG wurden seitdem vermietet. Im Übrigen stehen mehrere Wohnungen seit 1976 durchgängig leer. Bei der Veranlagung 2003 erkannte das Finanzamt - und ihm folgend das FG - die auf die leer stehenden Räume entfallenden Aufwendungen mangels ernsthafter Vermietungsabsicht nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an.

Entscheidung
Der BFH entschied, dass die im Zusammenhang mit den seit Jahren leer stehenden Räumen angefallenen Aufwendungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind. Zeigt sich aufgrund bislang vergeblicher Vermietungsbemühungen, dass für das Objekt, so wie es baulich gestaltet ist, kein Markt besteht und die Immobilie deshalb nicht vermietbar ist, so muss der Steuerpflichtige zielgerichtet darauf hinwirken, unter Umständen auch durch bauliche Umgestaltungen einen vermietbaren Zustand des Objekts zu erreichen. Bleibt er untätig und nimmt den Leerstand auch künftig hin, spricht dieses Verhalten gegen den endgültigen Entschluss zu vermieten oder für dessen Aufgabe. Weil es der Kläger unterließ, auf den fehlenden Markt durch bauliches Umgestalten zu reagieren und den Leerstand der Räume vielmehr jahrelang hinnahm, schloss der BFH, der Kläger habe seinen Vermietungsentschluss aufgegeben.

Konsequenz
Besteht seitens des Steuerpflichtigen die Vermietungsabsicht, so sollte dies durch entsprechende entgegenwirkende Maßnahmen dokumentiert werden.



12. OLG Rostock: Qualifizierte Schriftformklausel verstößt gegen § 307 BGB

Kernfrage/Rechtslage
So genannte doppelte Schriftformklauseln sollen sicherstellen, dass mündliche Vereinbarungen im Rahmen eines Vertragsverhältnisses nicht wirksam werden können. Denn eine einfache Schriftformklausel, also die Regelung, wonach "Änderungen und Ergänzungen" schriftlich vereinbart werden müssen, kann mündlich aufgehoben werden. Klassisches Beispiel ist die sog. betriebliche Übung im Arbeitsrecht, durch die der Arbeitnehmer wegen der bloßen wiederholten Leistung des Arbeitgebers einen Anspruch erwirbt, obwohl dadurch der Arbeitsvertrag geändert wird. Dieser Anspruch entfällt nicht, weil die Parteien des Arbeitsvertrages eine einfache Schriftformklausel vereinbart haben.

Entscheidung
Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer nur mündlich geschlossenen Aufhebungsvereinbarung über ein Gewerbe-Mietverhältnis. Der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag über Gewerberäume enthielt eine Regelung, wonach "Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages" der Schriftform bedürfen. Darüber hinaus sollte auch die Aufhebung der Schriftformklausel der Schriftform bedürfen. Das OLG Rostock entschied zugunsten desjenigen, der sich auf die mündliche Aufhebungsvereinbarung berief, weil es die doppelte Schriftformklausel des Mietvertrages als unwirksam erachtete. Sie verstoße als überraschende Klausel gegen die gesetzlichen Regelungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine Schriftformklausel, die nicht nur für Vertragsänderungen die Schriftform vorschreibt, sondern auch Änderungen der Schriftformklausel ihrerseits der Schriftform unterstellt, erwecke den Eindruck, als könne sie nicht durch eine die Schriftform nicht wahrende Vereinbarung abbedungen werden. Sie käme dann einer konstitutiven Schriftformklausel gleich und verstoße damit gegen den Grundsatz des Vorrangs einer Individualvereinbarung.

Konsequenz
Die Entscheidung liegt auf einer Linie mit bereits bestehenden Urteilen zur Unwirksamkeit von doppelten Schriftformklauseln. Wenn eine solche Klausel in einem Formularvertrag (mehr als zweimalige Verwendung des Vertrages) enthalten ist und damit den Regelungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt, dann ist sie unwirksam. Wirksam ist sie nur, wenn sie einer individuellen Vereinbarung der Parteien entspricht. Dies wird man aber bei Vertragsschluss so ausdrücklich festhalten und dokumentieren müssen.



13. Ehegatte kann Aufteilung der Steuerschuld beantragen

Kernproblem
Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, schulden die Steuer gemeinsam. Bei einer Steuernachzahlung kann somit jeder Ehegatte für die volle Summe in Anspruch genommen werden. Beantragt ein Ehegatte nachträglich die Aufteilung der Steuerschuld, werden zwei getrennte Schuldbeträge ermittelt, so dass jeder nur noch "seinen" Anteil zu zahlen hat.

Sachverhalt
Der Ehemann, der stets deutlich weniger verdient hatte und von seiner Ehefrau finanziell unterstützt wurde, beantragte die Aufteilung der Einkommensteuerschuld. Hiergegen wandte sich die Ehefrau mit dem Argument, dass die beantragte Aufteilung eine Schikane ihres Mannes sei. Die Rechtsprechung habe eine Aufteilung der Steuerschuld in den Fällen für unwirksam erachtet, in denen mit der Aufteilung nicht die Zielsetzung verfolgt wird, sich eigene Vorteile zu sichern, sondern lediglich dem anderen Schaden zuzufügen.

Entscheidung
Das FG Berlin-Brandenburg folgte der Auffassung der Klägerin nicht. Es sah ein berechtigtes Interesse des Ehemanns in der Stellung des Antrags auf Aufteilung der Steuerschuld, da er aufgrund seiner geringen Einkünfte erhebliche Steuererstattungen erhielt. Dass die Ehefrau aufgrund des Aufteilungsantrages nun eine wesentlich höhere Nachzahlung zu leisten hat, sei nicht als Schikane des Ehemannes zu werten.

Konsequenz
Hätte die Ehefrau seinerzeit die geringere Einkommensteuernachzahlung sofort beglichen, wäre für den Ehemann ein Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld nicht möglich gewesen. Der Ehemann hätte dann keine Steuererstattung erlangen können. Das FG hat in besagtem Fall Revision beim BFH zugelassen.



Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen



Stephan Gißewski

Steuerberater